Eine schnelle Buchempfehlung zwischendurch: Feridun Zaimoglus „Zwölf Gramm Glück“. Erschienen in Financial Times Deutschland, 2005.
Seine Augen sind geschwollener, sein Haupt lichter, die Haare kürzer. Das hat sich geändert. Aber er raucht noch immer Kette, sein Röntgenblick ist kraftvoll wie eh und je und die Besessenheit Sprache zu formen ungebremst: Zehn Jahre sind vergangen seit Feridun Zaimoglu die Literaturbühne mit Büchern wie Kanak Sprak und Abschaum betrat. Sein wütendes Pidgindeutsch von damals ist einem deutschen Edelbarock gewichen. Aus den antirassistischen Kampfschriften sind fulminante Geschlechterkämpfe geworden.
Nun also Liebesgeschichten. Zwölf Gramm Glück. Zwölf Erzählungen. Sieben von ihnen hat Zaimoglu übertitelt mit Diesseits. Sie spielen in Deutschland. Die übrigen fünf hat er unter der Rubrik Jenseits notiert. Sie sind in der Türkei angesiedelt. Auch diese Texte von Zaimoglu sind wieder eindeutig uneindeutig und streitbar wie immer. Klar ist nur: Es sind Geschichten über Männer, die Frauen übermäßig verehren, manisch geil sind auf sie oder pathologisch abhängig.
Bevor ich aus der Spur treibe, vögel ich lieber mit Vera, sagt einer von ihnen in einer der Stories. Eine Frau sagt an einer anderen Stelle: Wer um Liebe bettelt, braucht eine Therapie. So sind weitestgehend die Rollen in diesem Band verteilt: der Mann jagt, angelt, bittet und bettelt. Die Frau mäßigt, bremst, leitet und lenkt die Dringlichkeit des Mannes. Plaziert hat der Kieler Türke seine Beziehungen in Szenevierteln deutscher Großstädte, in Hotels an türkischen Stränden oder auf Hinterhöfen archaischer Dörfer. Zaimoglus Typen finden am Ende meist das Häufchen Glück, das der Autor ihnen zugeteilt hat.