„Manchmal höre ich, wie die Füchse uns auslachen.“

Die US-Schriftstellerin und Feministin Rita Mae Brown über ihre heimliche Leidenschaft, die Fuchsjagd. Erschienen im Magazin der Süddeutschen Zeitung, 1998. Fotos: Imke Lass (www.imkelass.com)

Mrs. Brown, können Füchse eigentlich bellen?
Ja. Sie bellen allerdings in einer höheren Tonlage als Hunde.

Können sie unseren Lesern vormachen wie Füchse klingen, wenn sie kläffen?
Kleine Füchse bellen so: yip, yip, yip, das Bellen größerer Füchse klingt so: yarp, yarp, yarp. Ihr Körper hat mehr Volumen, deswegen ist ihr Bellen auch voller.

Das klingt nach dem Bellen eines pfiffigen Tieres. Sind Füchse wirklich so schlau wie der Volksmund behauptet?
Füchse sind cleverer als Menschen, glauben sie mir, das erlebe ich auf meinen Fuchsjagden immer wieder aufs Neue.

Die Fuchsjagd ist eine Ihrer großen Leidenschaften. Was begeistert sie daran?
Die Fuchsjagd ist ein Wettkampf zwischen zwei Intelligenzkreaturen, die mit den gleichen Waffen einander für dumm verkaufen wollen. Der Mensch wie auch der Fuchs sind hinterhältig und gerissen. Sie täuschen ihren Gegner, sie verleiten ihn zu Fehlern, und sie sind sich vor allem in einem sehr ähnlich, sie genießen ihren Triumph über die Dummheit des Gegners wie ein Spitzbub.

Können sie die Sozialität und die Psychologie ihres Wettkampfgegners beschreiben?
Es gibt Rot-, Grau- und Weißfüchse. Rotfüchse sind die romantischsten unter ihnen. Sie wandern wie ein Liebespaar in Zweisamkeit durch die Wälder. Graufüchse leben im Rudel. Artikfüchse sind Einzelgänger. Allesamt verbindet sie ihr Interesse für das Unbekannte, weil sie es aber gleichzeitig fürchten, arbeiten sie mit einem Arsenal an Tricks um Neuigkeiten aus der für ihn fremden Welt mit nach Hause zu bringen ohne dabei in Gefahr zu geraten. Von allen Finten des Fuchses ist dabei eine besonders gerissen: er scheint in der Lage zu sein, seine Geruchsspur von Seinesgleichen wie einen Lichtschalter ein- und ausschalten zu können, je nachdem, ob er erkannt werden will oder nicht.

Das ist dann die Fährte, die ihre Hunde bei einer Jagd aufnehmen.
Ja. Wir jagen in Virginia ausschließlich Rot- und Graufüchse. Oft ziehen wir Menschen den Kürzeren bei dem Spiel, denn sobald wir Jäger in ihrem Revier auftauchen passiert folgendes: die Füchse halten unsere Hunde zum Narren, sie verwischen ihre Spur, manchmal scheint es als legten sie falsche Fährten. Sie lassen uns ständig ins Leere laufen, während sie in einem Bogen um uns herumschleichen und uns hinter unserem Rücken beobachten. Manchmal glaube ich hören zu können, wie sie uns auslachen.

Das spricht nicht für die Spürkunst ihrer Jagdhunde?
Es gibt Jagdtage an denen werden unsere Hunde von den Füchsen verschaukelt und in ihrer Intelligenz gedemütigt. Sie folgen dann in ihrer Verwirrung Rehen, Hasen, manchmal auch Eichhörnchen. An solchen Tagen muß ich mich auf meine eigene Nase verlassen.

Sie können Füchse in der Wildnis riechen? Das glaubt Ihnen doch niemand.
Glauben Sie mir: sie riechen ähnlich wie Stinktiere. Nun weiß der Leser dieses Interviews normalerweise nicht wie Stinktiere riechen. Aber ich kann ihnen versichern, daß eine trainierte Jägernase einen Fuchs von anderen Tieren unterscheiden kann, wie die Nase eines jeden Lesers Schweiß von Wasser unterscheiden kann, obwohl der Körperdunst doch auch Wasser ist. Vor allem bei unseren Jagden im Herbst und Winter riecht man Füchse besonders gut.

Ist es nicht schöner im Sommer jagen zu gehen?
Ja. Aber im Sommer würden sie nicht einen einzigen Fuchs finden. Die besten Tage für die Fuchsjagd sind jene, an denen die Wolken tief über der Erde hängen und die Feuchtigkeit am Boden halten, sie kennen das bestimmt von ihren eigenen Waldspaziergänge: an solchen Tagen riecht der Wald besonders nach Humus und Laub und Moos und Rinde. Das sind die Tage, an denen eine Menschennase einen Fuchs in der Wildnis riechen kann.

Foto Imke Lass

Sie sprechen über die Natur, als sei sie für Sie ein spiritueller Abenteuerspielplatz …
… für mich ist die Natur das Reinste und Weiseste was wir Menschen auf der Erde haben. Deswegen gibt es nichts in meinem Leben, daß mir soviel Glück bereitet wie ein Ritt durch die Natur. Ich galoppiere und springe mit meinem Pferd Peggy Sue durch Wälder und Wiesen, über Bäche und Stämme. Können sie sich vorstellen, welches befreiende Gefühl einem so ein Ritt durch die Natur gibt?

Ja. Aber welchen Sinn hat die Fuchsjagd dabei?
Gar keinen, es macht überhaupt keinen Sinn Füchse zu jagen. Es ist wie mit allen Leidenschaften im Leben: sie machen nie einen Sinn. Ich finde, jeder Mensch sollte in seinem Leben etwas machen, was völlig sinnlos ist.

Benutzen Sie Waffen bei der Jagd?
In Virginia tragen wir bei Jagdausflügen keine Waffen. Wenn man es genau nimmt, jagen wir die Füchse auch nicht, wir hetzen sie – eine solche Jagd nennt man Treibjagd.

Welche Strategie verfolgen Sie bei einer Treibjagd?
Das hängt von der Größe des Jagdgemeinschaft ab: Bei der diesjährigen Eröffnung der Fuchsjagdsaison in der Nähe von Charlottesville sind wir mit 96 Jägern ausgeritten. Die Anfänger reiten bei solchen Anlässen der Hauptgruppe hinterher, sie sind sozusagen die Auszubildenden und dürfen mit ihren Pferden weder springen noch galoppieren. Die erfahreneren Jäger reiten vorweg, dazu gehören zum einen die Einpeitscher. Sie sind so etwas wie die Scouts unter uns, sie suchen und lesen die Spuren und setzen sich mit den Hundeführern in Verbindung. Sie wiederum kommunizieren mit den Hunden durch das Horn und setzen sie auf die Fährte, oder rufen sie gegebenenfalls zurück, wenn die Hundemeute einer falschen Spur folgt.

Könnten Sie das Horn gegebenenfalls auch blasen?
Ja, aber andere können es besser.

Sie können also nicht nur Füchse riechen, sie können auch mit Hunden sprechen?
Das Bellen der Hunde nennen wir Jäger: Stimme. An ihrem Laut erkennen die Hundeführer aber auch ich, ob wir der richtigen Fährte folgen. Die Hundeführer arbeiten mit den Bergreitern zusammen. Sie sind die Strategen unter uns. Sie stehen an taktisch wichtigen Punkten und überblicken das Gelände. Im Ernstfall leiten sie die von den Hunden aufgespürten Füchse auf ein überschaubares Gelände, durch das ausschließlich wir, die erfahrenen Reiter, sie treiben und hetzen. Wir haben die am besten trainierten Pferde. Sie sind schnell, furchtlos und nehmen jede Hürde. An der Spitze der Horde reitet der Jagdmeister.

Und das sind Sie.
Ja. In meinem Verein, dem Oak Ridge Fox Hunt Club, bin ich für die Organisation der Jagd verantwortlich. Die genaue Bezeichnung meines Jägerranges heißt: „Master of Hunt“.

Tragen Sie als Jagdmeister deswegen eine rote Reiteruniform?
Wir nennen den Rotton: Scarlet, was im deutschen soviel heißt wie: Scharlachrot. Es gibt eine Kleiderordnung unter Jägern, an dessen Farben jeder erkennen kann, welchen Rang und somit welche Erfahrung jeder Jäger hat. In Virginia tragen Männer der meisten und auch meines Jagdclubs schwarze Stiefel, eine weiße Hose, ein weißes Hemd mit langem Krawattentuch, das nicht nur elegant, sondern auch sehr praktisch ist: bei Unfällen wird es häufig als Schlinge oder Schlaufe benutzt, um gebrochene Arme zu halten oder Wunden abzubinden. Über dem Hemd tragen Männer einen roten Reitrock, auf dem Kopf einen schwarzen Helm.

Und die Frauen?
Eine Frau darf sich nur in Rot kleiden, wenn sie Jagdmeisterin ist, oder Einpeitscherin oder Hundeführerin.

Haben sie in den siebziger Jahren so hart für die Emanzipation der Frau gekämpft, um dreißig Jahre später zuzulassen, daß Frauen bei sinnlosen Reiterspielen diskriminiert werden?
Meine männlichen Sportsfreunde bekunden mir und allen anderen Frauen an jedem Jagdtag ihren vollen Respekt und das tun sie nicht bloß aus Höflichkeit. Sie sind wirklich beeindruckt. Ich erkenne es an ihren Augen. Was die Geschichte des Jagdsport angeht, kann ich Sie auch beruhigen: er unterliegt zwar noch heute einem männlich geprägten Kleidungskodex, doch in Wahrheit haben sich Frauen bereits im Laufe des Ersten Weltkriegs im Jagdsport durchgesetzt. Damals übernahmen sie die Führung vieler amerikanischer Jagdclubs. Viele ihrer Männer fielen im Krieg. Also setzten die Ehefrauen die Tradition ihrer Ehemänner fort.

Wie alt ist der Oak Ridge Fox Hunt Club?

Mein Club ist 111 Jahre alt. Er gehört zu den kleinsten in Virginia. Durch die Weltkriege verlor der Verein damals den Großteil seiner Männer. Die Überlebenden eröffneten Oak Ridge später in einer benachbarten Stadt. Ich holte den Club dann 1993 wieder nach Charlottesville zurück. Heute haben wir 50 Mitglieder, die großen, traditionsreichen Vereine in der Gegend haben dagegen bis zu 500 Mitglieder.

Trifft sich der Landadel von Virginia in den Jagdclubs, wie es früher zur Zeit der Konföderation?
Es gibt nur noch wenige Adelsfamilien in den USA. Die wenigen Aristokraten jagen natürlich in besser dotierten Jagdclubs. Sie zahlen bis zu 20.000 Dollar im Jahr um mit Ihresgleichen jagen gehen zu dürfen. Unser Club besteht dagegen ausschließlich aus Farmern und Landarbeitern: Sie stehen am Morgen mit dem Geschrei der Hühner auf, sie versorgen die Pferde und treiben das Vieh auf die Weiden, dann erledigen sie Reparaturen und Schmiedearbeiten, das machen sie Tag für Tag, ihr ganzes Leben lang.

Und was bietet Ihr Club den Farmern in ihrer Freizeit?
Die Jäger meines Jagdclubs zahlen 700 Dollar im Jahr. Wir strömen zwei- bis dreimal in der Woche gemeinsam in die Wälder aus. Zudem können die Mitglieder des Clubs ihre Pferde gemeinsam mit meinen trainieren und pflegen lassen. Andere Vereine bieten auch drei und vier Jagdtage pro Woche an, das hängt von der Größe des Clubs ab und auch von der Infrastruktur: Der Oak Ridge Club hat nicht genügend Personal um ein größeres Programm anbieten zu können. Der Verein wird von einem Sekretär und einem Kassierer verwaltet.

Jagd jeder Club ausschließlich das Land ihres Masters?
Nein. Zu besonderen Anlässen, wie zu einer Saisoneröffnung, lade ich auch immer Jäger aus anderen Jagdclubs ein. Das ist so üblich. Für den Eröffnungstag und auch für die gesamte Saison stellen uns die benachbarten Farmer ihr Land zur Verfügung.

Das spricht für eine intakte Nachbarschaft.
Die Farmer tun es zum einen aus Gefälligkeit, zum anderen aber auch weil sie sicher sein können, daß jede auf ihrem Gut stattfindende Jagd, ihr Grundstück aufwertet. Es spricht sich schnell herum in der Gegend, welcher Jagdclub welches Land für seine Jagd nutzt. Der Wert des Landes eines befreundeten Farmers beispielsweise hat sich in den letzten drei Jahren verdreifacht, weil Jäger von traditionsreichen Clubs aus der Gegend sein Land für ihre Ausritte ausgesucht hatten.

Sie erwähnten vorhin das Krawattentuch der Männer, mit dem Jäger im Ernstfall Wunden abbinden. Welche sind die häufigsten Verletzungen unter den Jägern?
(Lacht): Am beliebtesten unter uns sind Arm-, Bein- und Schlüsselbeinbrüche. Oberschenkelbrüche dagegen kommen selten vor. Prellungen und Dehnungen sind an der Tagesordnung.

Warum lachen Sie, wenn Sie über die Unfälle ihrer Freunde berichten?
Ich denke gerade an mein schmerzhafteste Erlebnis mit einem Pferd.

Erzählen Sie davon.
Vor einigen Jahren schüttelte mich ein Pferd ohne einen ersichtlichen Grund wie eine lästige Fliege von seinem Rücken. Eine Reiterschar stand um uns herum, Freunde, Verwandte, Bekannte, als sich das Pferd entschied einen Rodeo mit mir austragen zu wollen. Ich hatte keine Chance. Ich stürzte in den staubigen Boden und mein Hintern erlitt eine schwere Prellung. Aber das war nicht einmal das schmerzhafteste: Was mich wirklich quälte, war die Tatsache, daß mich dieses Pferd in Anwesenheit anderer derartig entblößt hatte. Ich fühlte mich in meinem Stolz gekränkt.

Mußte daraufhin ein Therapeut ihr gebrochenes Selbstbewußtsein kurieren?
Nein. Aber ich mußte Erkennen, daß die Bereitschaft zum Schmerz zum Reitsport gehört, wie zum Schreiben die Bereitschaft zur Einsamkeit.

Sie haben mit 54 Jahren gerade eine Autobiografie veröffentlicht. Über ihre Leidenschaft, die Fuchsjagd, ist darin kaum etwas zu lesen. Warum?
Über die Fuchsjagd ist bereits alles Wissenswerte aufgeschrieben worden, das einzige, was der Autor eines neuen Handbuches hinzufügen müßte, wäre ein Kapitel zum Thema: Fuchsjagd als Meditation.

In einem Interview mit dem SZ-Magazin behauptete Ihr Kollege Raymond Federman an selber Stelle, Golf sei für ihn eine Form der Meditation. Ist es Intellektuellen eigentlich verboten Freude zu empfinden, oder warum muß der Begriff „Meditation“ bei ihnen allen für alles herhalten, was ihnen offensichtlich einfach nur Spaß macht?
Ich bin mir sicher, der liebe Gott hat nicht gewollt, daß wir uns mit diesem wundervollen Leben langweilen. Das gilt auch für Menschen mit dem Hang zur Kopfschwere. Aber: Reiten kann wie Golf tatsächlich eine Meditationsform sein, wie überhaupt aber alle Dinge, die ein Ritual voraussetzen und über die man sich vertiefen kann – das könnte auch das wiederholte Schnüren und Öffnen von Fußballschuhen sein. Es ist immer bloß eine Frage des Respektes, mit der man an eine Sache herangeht.

In Großbritannien erlegen Wildhüter im Laufe eines Jahres bis zu 150.000 Füchse, 18.000 davon gehen auf das Konto von Fuchsjägern. Haben die Briten keinen Respekt vor der Natur?
Ich muß die Briten verteidigen: Früher war die Fuchsjagd in Großbritannien ein königliches Spiel, heute sind dort Füchse aufgrund der sehr dichten Netzes der Agrarwirtschaft der natürliche Feind des Farmers. Die Landwirte müssen ihre Hühner und Lämmer schützen. Sie gehören immerhin zu den Lieblingsspeisen von Füchsen.

Kommen bei ihren Treibjagden in Virginia auch Füchse um?
Ja, aber es ist nicht so, wie sie es sich bestimmt vorstellen – unsere Hunde zerreißen die Füchse nicht zu blutigem Konfetti, der Tod kommt so: haben unsere Jagdhunde einen Fuchs erst einmal in seinem Bau erwischt, ist der Rest nur eine Frage von Sekunden: mit zwei festen Bissen, meistens in den Hals oder in den Nacken, und in nur zehn bis zwölf Sekunden ist der Fuchs auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe. Lieber ist es uns aber, wenn die Füchse überleben – dann haben wir und sie die ganze Jagdsaison einen Riesenspaß miteinander.

Besitzen Sie Waffen?
Ich trage während der Jagd immer einen Revolver im Sattel. Er gehört zu meiner Ausrüstung, wie die Uniform. Manchmal reißen unsere Hunde während des Treibens aus oder kreuzen wild vor den Hufen der Pferde. Dann schieße ich ihnen mit Plastikmunition aufs Fell, so bringe ich die Hunde wieder auf die richtige Bahn und bewahre sie vor dem Hufentod. Außerdem besitze ich ein Gewehr.

Welches Kaliber hat es?
Kaliber 22.

Damit könnten sie gerade eben ein Kaninchen erlegen.
Das stimmt. Um ehrlich zu sein, ich verstehe nicht viel von Schusswaffen.

Welche Kaliber kennen sie?
Es gibt 38er, es gibt 45er Kaliber, es gibt auch größere, aber das Kaliber meines Gewehres reicht für unsere Zwecke: ich lebe gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin auf einer 250 Hektar großen Farm mit 20 Pferden und 25 Hunden. Wir tragen also nicht nur für uns selbst die Verantwortung, sondern auch für unsere Tiere.


Ihrem Land haben Sie den besinnlichen Namen TEA TIME FARM gegeben. Gegen wen müssen Sie ihr Paradies verteidigen?
Im letzten Jahr kursierte in unserer Gegend die Tollwut. Es kommt also vor, daß ich auf ein Kaninchen oder ein Stinktier schießen muß, wenn es mit seiner Krankheit gesunde Tiere gefährdet.

Und treffen Sie den Feind auch, wenn Sie wollen?
Wenn es sein muß: ja. Aber glauben sie mir, ich schieße nur schweren Herzens. Das sehen einige meiner Landsleute anders. Die bekommen schnell einen nervösen Finger am Abzug ihres Revolvers, wenn eine Sache nicht so läuft wie sie es sich vorstellen.

Jetzt übertreiben Sie aber?
Nein. Die Vereinigten Staaten sind für mich das gewalttätigste Land der Erde.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Städte wie New York oder Philadelphia sind im Vergleich zu den Jahrtausende alten Städten in Europa sehr jung. Unsere ältesten Städte stammen erst aus dem späten 16. Jahrhundert. Anders als die Menschen in europäischen Zentren haben wir in den USA noch immer keine urbane Ethik entwickelt, die das Zusammenleben von Menschen auf engem Raum regelt. Gleichzeitig, und das ist das Fatale, träumen die Amerikaner noch heute 500 Jahre nach der Entdeckung des Kontinents von der unendlichen Weite ihres Landes. Doch dieser Luxus existiert bloß noch als laue Legende in ihren Köpfen. Das sind zwei sich bedingende Motive für die Brutalität in unseren Städten.

Sie meinen, es gäbe also so etwas wie die Nachfahren der Pistoleros in den USA?
Ja. Diese Dummköpfe schießen sich noch immer wie früher den Weg frei nach dem Leitspruch: Geh mir aus dem Weg, verdammt, du nimmst mir die Sicht.

Gibt es denn auch dumme Jäger?
Ja. Ein dummer Jäger hat keinen Respekt vor dem gejagten Tier. Er hat keine Achtung vor der Lebenswelt des Tieres, der Natur. Er hat keine Vorstellung davon, daß der Homo sapiens erst einige hunderttausend Jahre auf der Welt ist, während das Tier schon Milliarden Lebensjahre auf dem Buckel hat.

Sie halten sich demnach für eine intelligente Jägerin?
Ich lerne bei jedem meiner Ausritte jeden Tag neu von der Natur und das wird mein ganzes Leben lang so sein. Was die Jagd betrifft, so mache ich wohl keine Anfängerfehler mehr, aber solange die Füchse weiterhin schlauer sind die Menschen, wird es immer wieder Momente geben, in denen ich mich fühlen werde, wie der dümmste Mensch der Welt.