Der US-Journalist Glenn Greenwald legt in seinem neuen Buch die Geschichte hinter der NSA-Affäre vor und widmet darin immerhin ein ganzes Kapitel der Abrechnung mit den Kollegen. Erschienen im Greenpeace Magazin, 2014.
Glenn Greenwald: Ein Fürsprecher
für jede Art von Antiamerikanismus?
Als Greenwald noch Reporter der britischen Tageszeitung The Guardian war, wirkte er auf seinen Chef wie ein Bessessener. War Glenn getrieben von einer Sache, war er nicht aufzuhalten und nahm keinen Blatt vor den Mund, auch wenn ihm das persönlich Nachteile brachte, sagt Alan Rusbridger. Der Chefredakteur hatte den Blogger und ehemaligen Anwalt 2012 gegen die Widerstände von Reporterschwergewichten aus dem eigenen Haus geholt, die nicht wussten, was sie von einem bloggenden Juristen zu halten hatten.
Ein Jahr später lockte ein gewisser Edward Snowden nicht die misstrauischen Haudegen, sondern ausgerechnet den neuen Guardian-Reporter nach Hongkong, weil der ihm in den US-Medien mit seiner ihm eigenen Widerspenstigkeit vor Jahren aufgefallen war. Greenwald deckte später gemeinsam mit der US-Filmemacherin Laura Pointras den NSA-Skandal auf. Nun hat Greenwald ein Buch darüber geschrieben, das sich nicht nur wie eine Klageschrift gegen die US-Regierung liest, sondern auch gegen die angepassten Medien des politischen Washingtons.
Als der heutige Präsident Barack Obama noch Senator von Illinois war, hatte ausgerechnet er sich für einen besseren Informantenschutz eingesetzt. Seit der NSA-Affäre geht nun Obamas Regierung mit zuvor ungekannter Härte gegen kritische Journalisten vor: Auf der Suche nach den Quellen eines Berichts über einen geheimen CIA-Einsatz ließ das Justizministerium Telefonverbindungsdaten der Nachrichtenagentur Associated Press beschlagnahmen. Reporter David Sanger von der New York Times geriet wegen Recherchen über geheime Computerangriffe auf den Iran ins Visier der Ermittler.
Journalisten, die politisch Mächtige herausfordern, zu verfolgen, zu diffarmieren oder gar ganz aus dem Verkehr zu ziehen, ist keine Erfindung der amerikanischen Behörden: Als besonders taugliche Methode hat sich etwa erwiesen, von der Regierungslinie abweichende Meinungen auf Persönlichkeitsstörungen zurückzuführen in der früheren Sowjetunion wurden kritische Journalisten in psychatrische Anstalten geschlossen. China und Russland diffarmieren schon lange Staatskritiker, indem man sie für unzurechnungsfähig erklärt.
In den USA allerdings übernahmen seine Diffarmierung und Ausgrenzung die Kollegen selbst, schreibt Greenwald: Einen Tag nachdem er den ersten Artikel über die NSA im Guardian veröffentlicht hatte, wurden in US-Medien Stimmen laut, die dem ehemaligen Anwalt die Seriösität als Journalist absprachen, indem sie ihn zum Blogger und Aktivisten degradierten. Die New York Times (NYT) brachte zeitgleich strafrechtliche Konsequenzen gegen Greenwald ins Spiel, in dem sie Gabriel Schoenfeld zitierte, einen ehemaligen politischen Berater der Republikaner.
Schoenfeld ist in den USA bekannt dafür, die Verfolgung von Journalisten zu fordern, die seiner Ansicht nach Geheimnisverrat begehen. Greenwald hielt er in dem NYT-Artikel für einen hochprofessionellen Fürsprecher für alle Arten von Antiamerikanismus. Der Nachtrichtensender CNN ließ alsbald Alan Dershowitz auftreten, einen New Yorker Anwalt und politischen Kommentator, der Greenwald attestierte, sich mit seinen Veröffentlichungen im krimenellen Bereich zu bewegen. Das Revolverblatt New York Daily News veröffentlichte kurz darauf Gerüchte über Greenwalds Schulden, die schon lange ausgeglichen waren.
Kübelweise ergoss sich Dreck, Misstrauen und Vorbehalte über Greenwald. Seine wütende Medienkritik widmet er immerhin ein ganzes Kapitel, ganze 64 Seiten. Am Ende schlägt er zwar versöhnliche Töne an, er schreibt: Viele Journalisten, der von mir kritisierten Medien, haben mich auch unterstützt. An dem miserablen Zustand der in der Verfassung festgeschriebenen Pressefreiheit in den USA ändert das aber nichts.
In der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen sind die USA auf Rang 46 abgerutscht. Surinam, El Salvador und Samoa garantieren derzeit eine freiere Presse.
Glenn Greenwald:
Die globale Überwachung.
Droemer, 368 Seiten, 19,99 Euro