Im Jahr 2007 wurde oberhalb des Dorfes Çamburnu in der Region Trabzon/Türkei eine Deponie angelegt, auf der seitdem Müll aus den Großstädten Trabzon und Rize sowie 49 weiteren Gemeinden eingelagert wird. Das führte zum Protest der 1300 Bewohner. Fatih Akins Großeltern stammen aus Çamburnu. In einem Dokumentarfilm hat der Regisseur den Widerstand dokumentiert. Erschienen im Greenpeace Magazin, 2012.
Herr Akin, Müll im Garten Eden ist Ihrem Vater gewidmet. Wie schafft man es als Regisseur zu einem Thema journalistische Distanz zu wahren, in das die eigene Familie verwickelt ist?
Überhaupt nicht. Die Geschehnisse um die Deponie haben mich derartig aufgeregt, dass ich einen Film darüber machen musste. Er erzählt die Geschichte eines immer wiederkehrenden Konflikts, nämlich der der Beherrschten gegen die Herrscher. Ich musste während der Dreharbeiten an die Ereignisse in Fukushima denken: Auch dort beschwichtigen, betrügen, belügen die Mächtigen ihr Volk.
Leider aber kommen die Herrschenden in ihrem Film kaum zu Wort. Warum?
Doch, tun sie. Der Ingenieur der Deponie, der Umweltbeauftragte der Region, der Gouverneur von Trabzon sie alle kommen zu Wort. Aber sie entlarven sich als Naturfeinde. Die Dorfbewohner haben dagegen überzeugende Argumente: der Müll stinkt, er verseucht das Trinkwasser und vertreibt die Bewohner des Dorfs, die hier seit Generationen Tee anbauen.
Ein zentraler Vorwurf, der Ihnen in der Türkei gemacht wird, lautet: Sie sind der Türkei gegenüber viel zu kritisch eingestellt.
Manche meinen, ich beschmutze die Türkei, um damit im Ausland Geld zu verdienen. Wenn man aber sein Land wirklich liebt, dann kritisiert man es auch. Das Land um Çamburnu ist auch mein Land: meine Ahnen liegen dort begraben. Kritik ist die einzige Waffe der Beherrschten, um sich aufzulehnen. Als Filmemacher bin ich selbstverständlich auf ihrer Seite.
Der Film hält sich allerdings mit politischen Positionen zurück. Er bedrängt den Zuschauer nicht. Die Kamera hält sich ebenso vornehm zurück und beobachtet das Geschehen oft aus dem Hintergrund. Wie häufig haben Sie in der Zeit vor Ort gefilmt?
In den Jahren zwischen 2007 und 2012 war ich fünf oder sechs Mal vor Ort. Weil ich nicht durchgehend anwesend sein konnte, habe ich dann einen Dorfbewohner gebeten, für mich als Kamermann zu arbeiten. Wir haben ihm eine Ausrüstung zur Verfügung gestellt und einen Crashkurs gegeben. Sein Material hat er mir regelmäßig nach Deutschland geschickt. Dann habe ich ihm Anweisungen dazu gegeben, welche Bilder, Einstellungen und Stimmen wir noch benötigen. So sind 70 Prozent des Films entstanden. Die Dorfbewohner haben ihren Protest zu einem großen Teil selbst dokumentiert.
Müll im Garten Eden, Regie: Fatih Akin, Verleih: Pandora