NIEMANDSLAND

Der Mann, der Hamburg zum Designobjekt macht: Architekt Hadi Teherani. Ein Porträt. Erschienen in Du, Schweiz 2006

Vor zwei Jahrzehnten als Hamburg noch die unaufgeblasene, nette Großstadt von nebenan war, nannte man dies, worauf ich gerade stehe: „Aussichtsplattform“. Damals wurde eine metallene Fläche auf einem Gerüst und einem kleinen Dach zusammen geschraubt und fertig war die Laube, wie man in Hamburg sagt. Jetzt, da Hamburg zu den Metropolen der Welt aufschließen möchte, stehe ich auf dem etwas affektiert benannten: „View Point“. Der „View Point“ ist natürlich nicht von irgendwelchen Handwerkern gebaut, sondern vom Architektenteam Renner Heinke Wirth designt worden. Ein Liebespaar hat sich hier verschanzt und küßt sich innig, während ich meinen Blick durch eine Regenwand über eine der zur Zeit größten Baustellen Deutschlands schweifen lasse.

In einem Areal von 155 Hektar zwischen Speicherstadt und der Veddel wird die Hafencity errichtet, ein Stadtteil, der das Zentrum mit den südlichen Gebieten Hamburgs verbinden wird. Dort drüben, am Lohse Park westlich der Elbbrücken, will der Architekt Hadi Teherani seine „Living Bridge“ spannen, eine 700 Meter lange bewohnbare Brücke nach dem Vorbild des Ponte Vecchio in Florenz.

Ich treffe den Architekten, der diese Brücke bauen will in seinem Büro. Ein freundlicher Mann mit zurückgekämmten, braunen Haaren, weißem Hemd und einem dunkelblauen Anzug reicht mir seine zarte Hand zur Begrüßung. Sein Blick ist sanft und durchdringend. Angeblich trägt Teherani nur Kleidung von Kiton. Der Architekt richtet die Läden der italienischen Modemacherfamilie ein. Sie schneidert ihm dafür seine Maßanzüge, erzählt man sich in der Stadt. Teherani ist ein berühmter Mann. Wenn er mit seinem Hund Moritz am Strand von Westerland spazieren geht, dann steht das am nächsten Tag im Klatschteil der „Bild“.

Ich frage ihn nach der perfekten Stadt und natürlich kommt er auf sein Hamburger Lieblingsprojekt zu sprechen. „Ich habe Ole gesagt: ich schenke der Stadt diese Brücke mitsamt Finanzierung, wenn sie mir dagegen die Baugenehmigung erteilt.“ Ole ist der Vorname des Hamburger Bürgermeister von Beust. Teherani hat die Angewohnheit andere schnell zu duzen, was kein Problem ist. Seine 200 Mitarbeiter duzen ihn auch.

Im Alter von sechs Jahren ist er mit seinen Eltern von Teheran nach Hamburg gezogen. Mittlerweile spricht er mit leichtem Hamburger Zungenschlag und ist der zur Zeit vielleicht hanseatischste Architekt der Stadt. 31 Gebäude hat er in den letzten Jahren in den sumpfigen Hamburger Boden gepflanzt. Wie diese Bauten könnte auch die „Living Bridge“ einen reinigenden Effekt auf das Stadtbild Hamburgs haben.

Als architektonische Wahrzeichen leistete sich die protestantische Kaufmannsstadt lange Zeit nur einige Kirchtürme. Zu mehr Mut brachte die verstockte Schönheit an der Elbe es nicht. An der Außenalster fuhren adrette Segelboote auf kleinen Wellen auf und ab, was die Stadt an diesem Ort erschienen ließ, wie ein Heim für reiche Pensionäre. Noch lange bis in die 90er Jahre hinein glich Hamburg dem Deutschland der Fernsehtürme, der Internationalen Gartenausstellungen, der nichtbetretbaren Grünfläche und kontrollierten Gemütsäußerungen in der Stadtplanung.

Dann kam Teherani mit Bauten wie dem Bürohaus Doppel X, den Docklands, dem Berliner Bogen, dem Polizeipräsidium oder dem Haus am Deichtor, in dessen vierter Etage er mit seinen Partnern Jens Bothe und Kai Richter das Büro BRT betreibt.
Keines seiner Bauten läßt einen unberührt. Sie fügen sich selten demütig der Umgebung. Viele seiner Prachtbauten können nicht anders, als den Raum optisch umzuwandeln und zu beherrschen. Sie gebieren sich wie Designobjekte. Hamburg könnte wieder etwas Luft ablassen.